Agile, New Work, Holocracy, Scrum, Purpose, Design Thinking, Working Out Loud – die Welt der Organisationsentwicklung ist voller englischem Jargon. Umso mehr Charme entfaltete die sperrige deutsche Wortschöpfung “Postbürokratisches Organisieren” auf mich. Ein Wort wie aus einer anderen Zeit.
Diese zeitlose Haltung durchzieht den Sammelband aus dem Hause Metaplan und machte es für mich zu einem sehr lesenswerten Einstieg zum Stand der Organisationsentwicklung in Deutschland. Neben einigen Autoren aus dem Metaplan-Kosmos kommen vor allem Praktiker:innen zu Wort, die neue Formen des Arbeitens in ihren Organisationen umzusetzen versuchten und über Erfolg und Scheitern berichten. Die Praxisberichte werden eingebettet in stärker theoretische Aufsätze, die sich zwar weniger als entspannte Bettlektüre eignen, aber helfen einen nüchternen Blick auf die Agilitätsdiskussion zu erhalten.
Diese Diskussion wird entlang von vier Fragestellungen aufgezogen: Erstens, welchen Einfluss haben Interaktionen in der Organisation? Wann sind sie hilfreich oder auch nicht, wie verändern sie die Organisation? Zweitens, wie viel Hierarchie braucht ein Unternehmen und ist Hierarchie a priori immer schlecht? Drittens, wie setzt man agile Managementmoden ganz taktisch ein, um Dinge zu bewegen, die – vielleicht – manchmal wenig mit Agilität zu tun haben. Viertens, wie bringen postbürokratische Arbeitsweisen den eigentlichen Unternehmenszweck voran und verfallen nicht in bloße Purpose-Rhetorik?
Mir gefällt am Sammelband die Grundhaltung, dass postbürokratisches Organisieren beileibe keine Selbstläufer und die gewählte Methode kein Dogma ist, sondern häufig ein Mittel zum Zweck. Bezeichnend hierfür ist das Nachwort, das auf eine frühe Metaplan-Publikation aus dem Jahre 1968 und die bereits damals gemachten Vorschläge zur Weiterentwicklung der Organisation Bezug nimmt. Die dort postulierten “Zehn Maximen zur Evolution des Managements” sind trotz ihres Alters in ihrer Klarheit lesenswert und zeitgemäß. Sie beschreiben Grundprinzipien des klugen und menschlichen Organisierens, die vielleicht noch in 50 Jahren nichts an Modernität verloren haben.